Eine Lawine analysiert

Am 31.01. wurde ich von einer Lawine erfasst und 100 Meter mitgerissen. Ein Erlebnis, das ich erstmal verarbeiten musste – dabei hat mir das Videomaterial meiner Helmkamera sehr geholfen. Denn ich habe überhaupt nicht verstanden, woher die Lawine kam – völlig überraschend hat sie mich von rechts erwischt.
Das zeigt, wie schnell ein Unglück passieren kann, auch bei eingehender Planung der Fahrt. Denn egal wie viel man glaubt sich vorbereitet zu haben, oft hat man doch noch irgendetwas übersehen:

Ein Kollege hat mir kurz nach dem Vorfall dieses Bild geschickt:

@Horst Lederer

Darauf ist die Ausgangslage gut zu sehen: Die erste Rinne der Gamsroute wurde bereits vor uns befahren, was uns eine gute Grundlage zur Einschätzung der zweiten Rinne gab, da sie ähnlich steil ist. Rechts sieht man, wo ich nach dem Rutsch zum liegen gekommen bin. Die Rinne im Video liegt genau im Schatten über mir, hinter dem Felsen. Man erkennt auch, dass bereits weitere Skifahrer unserer Spur folgen und den Hang aus dem Video befahren.

Zum späteren Zeitpunkt, als wir die Suche nach meinem zweiten Ski für beendet erklären und abfahren, sieht der Hang so aus:
Lawinenhang_after
Man sieht, dass direkt neben dem Lawinenkegel viele weitere Spuren entstanden sind. „Geht’s dir gut?“ wurde ich oft gefragt. Aber „Kann ich helfen?“ fragte keiner. Kurios, wenn man bedenkt, dass meine ganze Ausrüstung, bis auf einen Ski, sichtbar auf der Schneeoberfläche lag. Niemand hat sich die Mühe gemacht, wirklich hinzusehen und mir die Dinge zu bringen. Also habe ich mich zusammengerissen und bin selbst durch den Tiefschnee geklettert, um mich wieder auszurüsten.
Bis zum Ende des Tages sind sicherlich hunderte Leute die Gamsroute gefahren und meines Wissens ist zum Glück keinem anderen etwas passiert.

Quattre Vallées 2015

Powdern in den Schweizer Alpen!

Verpasst nicht das Video zum Urlaub – Feel the Sun!

Das ist die Antwort auf die Frage, wo ich die letzte Woche verbracht habe.

20150110_101552 Von Lech aus ging es schwer bepackt mit dem Zug nach Zürich und von dort weiter ins Skigebiet Quattre Vallées. Schwer vorstellbar, aber meine gesamte Ausrüstung (samt extra paar Ski) lässt sich mithilfe von zwei Rucksäcken (vorne/hinten) transportieren – leider mit Abstrichen bei der Kleidervielfalt (schade um die Jogginghose).

DSC05249

Dank günstiger Nebensaison konnten wir uns ein XXL Luxus-Chalet (‚Schallett‘ inklusive Panoramablick, Sauna, Holzofen und Kletterwand) im Skiort Nendaz leisten und von dort die Powderhänge rund um das Freeski-Mekka Verbier verspuren. Auf der Piste gab’s eine kurze Jausn, gekocht wurde daheim, alle packten mit an.

Bewaffnet mit zwei Systemkameras, vier GoPros und hochauflösenden Handycams hat unsere zehnköpfige Truppe die folgenden sechs Skitage dokumentiert und festgehalten. Traumhafte Tiefschneefahrten, spektakuläre Stürze und Aprés Ski samt Kabinenparty – wir haben nichts ausgelassen. Hier die ersten Bilder unserer Reise – die Powdershots und Skivideos folgen bald!

Angerissen, nicht zerrissen

Das Licht blinkt, die Kamera läuft. Zweimal fest mit den Stöcken anschieben, wobei diese tief in den weichen Schnee eindringen, und rein in den Steilhang. Ich vorne, mein Cousin hinten, die GoPro auf seinem Helm filmt mit. Es ist ein blauer Tag, in der Nacht hat es frisch geschneit. 20 Zentimeter Neuschnee am Arlberg – nicht viel, aber genug, um den ersten Powdertag der Saison 2013/14 zu ermöglichen. Und den nutzen wir: mit schnellen Schwüngen nähern wir uns der Kuppel. Wie vereinbart ziehe ich am Übergang zwischen Licht und Schatten einen langen Schwung – einen Spray Turn – wobei ein Kumpel dieses Foto schießt:

domi_sprayturn

Mit meinem Cousin auf den Fersen steuere ich direkt in den nächsten Hang und versuche schnell die Lage zu erfassen: sanftes Gefälle, kaum Lawinenpotential, ein paar aufgehäufte Schneehügel – darunter entweder Büsche oder Felsen, schwer zu sagen. Ich nutze den Steuerdruck für ein paar lange Schwünge, spüre einen abrupten Widerstand und stürze.

Das ist jetzt fast ein Jahr her. 11 Monate, 6 Tage um genau zu sein. Ich höre noch den Arzt wie er mich informiert: ein Kreuzbandanriss, den man in kunstvoller Feinarbeit flicken konnte. „Es lief gut. Aber so wie früher wird es nie wieder.“ sagte er – ein Satz, der ganze Zukunftsträume vernichten kann.

Was soll das heißen? Dass ich zwar nie zehn-Meter-Cliffs lande, aber prinzipiell immer noch ein ziemlich wilder Hund sein könnte? Oder werde ich nicht mal mehr zum abfahrenden Bus laufen können? Diese Sorgen plagen mich, während ich mich mit lächerlich wirkenden, nichtsdestotrotz schweißtreibenden Physio-Übungen abmühe und gleichzeitig Freunde Bilder vom „geilsten Powder“ auf Facebook posten. Die habe ich dann ganz schnell medial zum Schweigen gebracht. Überhaupt konnte ich den Winter 2013/14 nur überstehen, indem ich mich vom Skifahren isolierte. Keine Skifilme, keine Abfahrtsrennen, kein Philosophieren über den besten Tiefschneeski mit Freunden. Währenddessen habe ich mich in Kraftkammern, auf Laufbändern und wackligen Unterlagen abgeschwitzt, um die Ärzte Lügen zu strafen.

Heute warte ich auf den ersten Schnee während die Temperaturen fallen. Das Gefühl von knirschender Piste unter der Skikante, von rauschendem Wind in der Ritze zwischen Skibrille und Helm, von Schnee weich wie Zuckerwatte unter der Bindung – das ist nur noch eine ferne Erinnerung. Ich kann sie noch abrufen. Es waren glückliche Momente. Aber Vorfreude? Ein bisschen vielleicht. Vermischt mit Sorge. Sorge, dass die letzten 11 Monate und 6 Tage umsonst waren. Sorge, dass die Ärzte recht hatten. Sorge, dass mein rechtes Bein einknickt, das Kreuzband komplett reißt und ich von der Pistenrettung erneut Richtung Saisonende abtransportiert werde.

Nein. Dieses Jahr nicht. Ich bin wie mein Kreuzband: angerissen, aber nicht zerrissen. Mir wurde zwar die Illusion jugendlicher Unzerstörbarkeit genommen und einiges an körperlichem Training und Disziplin abverlangt. Aber bald fahre ich wieder hinauf Richtung Arlberg – zwar mit neuen Sorgen, aber auch mit neuer Kraft und dem Willen, wieder der Alte zu sein.